D&O Liability - Geschäftsführer- und Vorstandshaftung in AG und GmbH

GmbH: Haftung vor Eintragung bzw. bei wirtschaftlicher Neugründung

Wenn der Geschäftsführer die Geschäfte vor der Eintragung bzw. im Falle der wirtschaftlichen Neugründung vor Offenlegung gegenüber dem Handelsregister aufnimmt, ohne Zustimmung aller Gesellschafter, haftet er nach § 11 II GmbHG. Die Haftung erfolgt auf die Unterbilanz, Stichtag ist die Eintragung bei der Gründung bzw. Offenlegung oder nach außen erfolgte Geschäftsaufnahme bei der wirtschaftlichen Neugründung (BGH 12.07.2011, II ZR 71/11).

AG und GmbH: Haftung für pflichtwidrige Maßnahmen im operativen Geschäft

Häufig erweisen sich Entscheidungen im operativen Tagesgeschäft im Nachhinein als schadenträchtig, z.B. weil nicht kalkulierte Kosten entstehen oder Erträge ausbleiben. Nach der Rechtsprechung des BGH trifft die Gesellschaft die Darlegungs- und Beweislast sowohl für den Schaden, als auch für die Verursachung für ein möglicherweise pflichtwidriges Verhalten des Geschäftsleiters. Dieser muss beweisen, dass Pflichten nicht verletzt, jedenfalls schuldlos gehandelt hat oder dass der Schaden auch bei rechtmäßigem Alternativverhalten eingetreten wäre. So kann die Darlegung der Gesellschaft auf unzutreffende Ertragsprognose genügen. Andererseits ist die unternehmerische Entscheidung nicht schon dann pflichtwidrig, wenn erstrebter Erfolg nicht eingetreten ist. Der Geschäftsleiter kann sich entlasten, wenn er annehmen durfte, vernünftigerweise aufgrund angemessener Information zum Wohle des Unternehmens zu handeln ( sog. Business Judgement Rule, § 93 I 2 AktG ). Angemessene Information erfordert die Einholung eines Sachverständigengutachtens, wenn der eigene Sachverstand nicht ausreicht (BGH22.2.2011, II ZR 146/09).

AG: Begründung oder Befreiung von einer Verbindlichkeit des Vorstandes in der AG

Ist der Vorstand verpflichtet, eine Geldbuße oder Geldstrafe zu zahlen wegen einer Tat, die auch Pflichtwidrigkeit gegenüber der Gesellschaft darstellt, bedarf die Übernahme der Zahlung durch die AG einer Zustimmung der Hauptversammlung gem. § 93 IV 3 AktG.Liegt keine Pflichtverletzung gegenüber AG vor, kann Aufsichtsrat entscheiden ( BGH 15.09.2014, II ZR 112/13).

AG und GmbH: Keine Entlastung der Geschäftsleiter durch Einbindung anderer Organe (Mitverschuldenseinwand)

Entsteht einer Gesellschaft ein Schaden, ist die Haftung der Vertreter der Gesellschaft weder dem Grunde, noch der Höhe nach dadurch eingeschränkt, dass ein anderes Organ der Gesellschaft in den Entscheidungsprozess eingebunden war. Jedes Organ ist grds. für die Pflichterfüllung selbst verantwortlich. Ein Haftungsausschluss kommt nur dann in Betracht, wenn der Geschäftsleiter aufgrund bindender Weisung tätig wurde (BGH 20.11.2014, III ZR 509/13).

GmbH: Haftung nach § 64 GmbHG wegen verzögerter Insolvenzantragstellung

1.1 Welche Pflichten treffen den Geschäftsführer in der Krise der Gesellschaft? Der Geschäftsführer einer GmbH ist zur steten Vergewisserung über die Vermögenslage der Gesellschaft verpflichtet. Es besteht eine Vermutung des Verschuldens und der Erkennbarkeit der Insolvenzreife, wenn nicht unverzüglich nach Eintritt von Überschuldung oder Illiquidität ein Insolvenzantrag gestellt wird. Der Geschäftsführer ist verpflichtet, eine Organisation vorzuhalten, die jederzeit eine Übersicht über die wirtschaftliche und finanzielle Situation ermöglicht. Der Geschäftsführer handelt jedenfalls fahrlässig, wenn er sich nicht rechtzeitig Informationen und Kenntnisse verschafft, bei Anzeichen einer Krise ist er zur Aufstellung eines Vermögensstatus verpflichtet (BGH 19.06.2012, II ZR 243/11; 27.03.2012 II 171/00). Sanierungsbemühungen nach Eintritt der Insolvenzreife lassen Zahlungsverbot innerhalb der Antragsfrist nicht entfallen (BGH 12.07.2013, a.a.O). Die Handelsbilanz hat indizielle Bedeutung für die Überschuldung, sofern nach Vortrag des Insolvenzverwalters keine stillen Reserven vorhanden sind (BGH 19.11.2013, II ZR 229/11). 1.2 Kann sich der Geschäftsführer gegenüber dem Haftungsanspruch mit offenen Gehaltsforderungen verteidigen? Nein. Da der Geschäftsführer die Aufrechnungslage durch Rechtshandlung verbotener Zahlungen herbeigeführt hat, greift das Aufrechnungsverbot des § 96 I Nr. 3 InsO durch. Nach § 64 GmbHG verbotene Zahlungen lösen Gläubigerbenachteiligung aus, weil sie Anspruch der Schuldnerin begründen und dem Geschäftsführer damit Aufrechnung ermöglichen, der ohne Aufrechnung nur Insolvenzforderung hätte (BGH 19.11.2013, II ZR 18/12). 1.3 Welche Haftung trifft den Geschäftsführer bei Zahlungseingängen auf ein debitorisch geführtes Konto nach Eintritt der Insolvenzreife? Was auf den ersten Blick aus kaufmännischer Sicht sinnvoll erscheint, führt nach Eintritt der Insolvenzreife in die unmittelbare Haftung der Geschäftsführung. Lässt der Geschäftsführer zu, dass nach Eintritt von Überschuldung oder Illiquidität Zahlungen von Schuldnern der Gesellschaft auf ein debitorisch geführtes Konto vorgenommen werden haftet er der Insolvenzmasse auf alle Zahlungseingänge, weil sie eine masseschmälernde Leistung an die Bank darstellen. Diese Haftung des Geschäftsführers entfällt auch nicht dadurch, dass der Insolvenzverwalter Zahlungen, die von dem Konto geleistet wurden, erfolgreich anfechten kann, da dadurch nur der Mittelabfluss beseitigt wird, nicht aber die masseschmälernde Leistung hinsichtlich der Verminderung des Debetsaldos (BGH 3.06.2014, II ZR 100/13). Aber: Liegen den Zahlungen auf das Konto Forderungen zugrunde, die an die Bank zur Sicherheit abgetreten waren, liegt keine Masseschmälerung vor, da die zur Sicherheit abgetretenen Forderungen aufgrund Absonderungsrechtes nicht für die Masse verwertet werden können. Voraussetzung ist, dass die Abtretung insolvenzfest ist, also sowohl Abtretung als auch Begründung der Forderung vor Insolvenzreife entstanden sind (BGH 23.06.2015, II ZR 366/15).

GmbH & Co. KG: Kann der Geschäftsführer einer GmbH & Co. KG für Zahlungen in Anspruch genommen werden, die an Gesellschafter geleistet werden?

Bei der GmbH & Co. KG ist eine Zahlung aus dem Vermögen der KG an einen Gesellschafter der Komplementär GmbH oder einen Kommanditisten eine nach § 30 I GmbHG verbotene Auszahlung, wenn dadurch da Vermögen der GmbH unter die Stammkapitalziffer sinkt oder eine bereits bestehende bilanzielle Überschuldung vertieft wird. Eine Reduzierung des Vermögens der KG erhöht das Haftungsrisiko der GmbH, die als Komplementärin für die Verbindlichkeiten der KG einzustehen hat. Ihr steht zwar für den Fall einer Inanspruchnahme ein Freistellungsanspruch gegen die KG zu, ist dieser aber nicht oder nicht vollständig werthaltig, kommt es in aller Regel zu einer Reduzierung des Stammkapitals (BGH 9.12.2014, II ZR 360/13). Ist neben der GmbH noch eine natürliche Person als Komplementär beteiligt, kann dies von Bedeutung sein, da beide Komplementäre als Gesamtschuldner haften und ggf. ein Freistellungsanspruch von der GmbH aktiviert werden kann; allerdings kommt es auch insoweit auf die Werthaltigkeit an.

AG, GmbH und PersG: Unter welchen Voraussetzungen kann der Anleger Mitglieder der Organe der Anlagegesellschaft unmittelbar auf Schadenersatz in Anspruch nehmen?

Der Anleger kann gegen die Mitglieder der Organe der Anlagegesellschaft Schadenersatzansprüche u.U. wegen unzureichender Aufklärung geltend machen. Er kann sich aber jedenfalls dann an diesen Personen schadlos halten, sofern die Voraussetzungen einer sittenwidrigen Schädigung, § 826 BGB, vorliegen. Dies ist u.a. bei Vertrieb von Geschäftsmodellen der Fall, die von vornherein chancenlos sind. Der Anspruch besteht nicht nur gegen Vermittler, sondern auch gegen den Vorstand der betroffenen Gesellschaft (BGH 17.03.2015, VI ZR 11/14).

AG und GmbH: Wann haften Dritte bei Pflichtverletzungen der Geschäftsführer/Vorstände?

Der BGH ( 15.10.2013, VI ZR 124/12 ) hatte sich anlässlich der Inanspruchnahme einer Bank durch eine Gesellschaft, deren Geschäftsführer Gelder der Gesellschaft unter Nutzung der Konten dieser Bank als Sicherheit für eine Verbindlichkeit des Geschäftsführer verpfändet hatte, mit der Frage zu befassen, unter welchen Voraussetzungen eine Haftung der Bank in Betracht kommt. Mangels vertraglicher Beziehung der Bank zur Gesellschaft hatte der BGH die Haftung der Bank unter dem Gesichtspunkt der sittenwidrigen Schädigung, § 826 BGB zu prüfen. Die Mitwirkung bei dem Vertragsbruch des Geschäftsführers allein begründet nach Auffassung des BGH nicht die Sittenwidrigkeit. Etwas anderes gilt nur dann, wenn ein rücksichtsloses Verhalten durch das Hinzutreten besonderer Umstände vorliegt, wie 

  • Verleitung zum Vertragsbruch und kollusives Zusammenwirken
  • Bewusste Unterstützung bei Verletzung gesellschaftlicher Treuepflicht
  • Begründung eines Pfandrechts an Kontoguthaben in Kenntnis einer Treuhandbindung
  • Vorliegen des Schädigungsvorsatz.
GmbH: Unter welchen Umständen kann der GmbH-Geschäftsführer auf nicht abgeführte Sozialversicherungsbeiträge in die persönliche Haftung genommen werden?

Gem. § 28 SGB IV hat der Arbeitgeber die Beiträge zur Sozialversicherung für die von ihm beschäftigten Arbeitnehmer an die Einzugsstellen abzuführen. Diese Verpflichtung besteht grds. auch in der insolvenzrechtlichen Krise der Gesellschaft, also bei Überschuldung oder Illiquidität und unabhängig davon, ob und ggf. in welcher Höhe der Arbeitgeber Auszahlungen an die Beschäftigten vornimmt. Der Geschäftsführer, der dieser Pflicht schuldhaft nicht nachkommt, macht sich gem. § 266 a StGB wegen Nichtabführung der Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung strafbar. Darüber hinaus haftet er den Sozialversicherungsträgern auf die nicht abgeführten Arbeitnehmeranteile gem. §§ 823 II BGB, 266 a StGB. Hätte die Abführung der Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung der Insolvenzanfechtung unterlegen, lässt das zwar die Strafbarkeit des Geschäftsführers nicht entfallen, indessen kann der in Anspruch genommene Geschäftsführer in diesen Fällen erfolgreich gegen eine persönliche Inanspruchnahme die Anfechtbarkeit einwenden ( vgl. BGH 2.12.2010, IX ZR 247/09 ).

UG und GmbH: Rechtsformzusatz: Haftet der Geschäftsführer bei fehlendem oder fehlerhaftem Rechtsformzusatz?

Der Geschäftsführer einer UG oder GmbH haftet unter dem Gesichtspunkt der Rechtsscheinhaftung entsprechend § 179 BGB nicht nur bei fehlendem, sondern auch bei unrichtigem Zusatz. Schließt also der Geschäftsführer einer UG mit dem fehlerhaften Rechtsformzusatz GmbH oder GmbH i.G. ( in Gründung ) haftet er dem Geschäftsgegner auf jegliche Forderung aus diesem Vertragsverhältnis. Die Haftung besteht jedenfalls in Höhe der Differenz zwischen dem tatsächlichen Kapital und dem Mindeststammkapital ( BGH 12.06.2012, II ZR 256/11).

UG: Geschäftsführerhaftung in der UG

Der BGH hat mit Urteil vom 12.06.2012, GWR 2012, 372 nach den Grundsätzen der Rechtsscheinhaftung eine Haftung eines Geschäftsführers bejaht, der mit einer UG unter der Bezeichnung "H-GmbHuG (i.G.) am Rechtsverkehr teilnahm. Das Landgericht Düsseldorf hat mit Urteil vom 16.10.2013, 9 O 434/12 U, GWR 2014, 12 entschieden, dass eine Haftung ihres Geschäftsführers nicht automatisch folge, wenn eine UG entgegen § 5 a GmbHG ohne den Klammerzusatz "haftungsbeschränkt" am Rechtsverkehr teilnimmt, ohne dass ein subjektives Vertrauenselement vorliegen würde.