Gleichbehandlung und Antidiskriminierungsschutz

 

Diskriminierung wegen Ethnie und / oder Rasse

1. Die öffentliche Äußerung eines Arbeitgebers, er werde keine Arbeitnehmer einer bestimmten ethni-schen Herkunft oder Rasse einstellen, begründet eine unmittelbare Diskriminierung bei der Einstellungi.S. des Art. 2 II lit. a der Richtlinie 2000/ 43/EG des Rates vom 29. 6. 2000 zur Anwendung desGleichbehandlungsgrundsatzes ohne Unterschied der Rasse oder der ethnischen Herkunft, da solcheÄußerungen bestimmte Bewerber ernsthaft davon abhalten können, ihre Bewerbungen einzureichen,und damit ihren Zugang zum Arbeitsmarkt behindern.

2. Öffentliche Äußerungen, durch die ein Arbeitgeber kundtut, dass er im Rahmen seiner Einstel-lungspolitik keine Arbeitnehmer einer bestimmten ethnischen Herkunft oder Rasse beschäftigen wer-de, reichen aus, um eine Vermutung i.S. des Art. 8 I der Richtlinie 2000/43/EG für das Vorliegen einerunmittelbar diskriminierenden Einstellungspolitik zu begründen. Es obliegt dann diesem Arbeitgeber,zu beweisen, dass keine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes vorgelegen hat. Er kann diesdadurch tun, dass er nachweist, dass die tatsächliche Einstellungspraxis des Unternehmens diesenÄußerungen nicht entspricht. Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, zu prüfen, ob die gerügten Tat-sachen glaubhaft sind, und zu beurteilen, ob die Beweise zur Stützung des Vorbringens des Arbeitge-hers, dass er den Gleichbehandlungsgrundsatz nicht verletzt habe, ausreichend sind.

3. Mach Art. 15 der Richtlinie 2000/43/EG müssen auch dann, wenn es kein identifizierbares Opfergibt, die Sanktionen, die bei einem Verstoß gegen die einzelstaatlichen Vorschriften zur Umsetzungdieser Richtlinie zu verhängen sind, wirksam, verhältnism5ig und abschreckend sein.(EuGH, Urteil! vom 10.7.2008 - C-54/07; NZA 2008, 929)

 

Diskriminierung wegen Behinderung

1. Die Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. 11. 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmensfür die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf und insbesondere ihre Art. 1und 2 I und II \it. a sind dahin auszulegen, dass das dort vorgesehene Verbot der unmittelbaren Dis-kriminierung nicht auf Personen beschränkt ist, die selbst behindert sind. Erfährt ein Arbeitnehmer, dernicht selbst behindert ist, durch einen Arbeitgeber eine weniger günstige Behandlung, als ein andererArbeitnehmer in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde, und istnachgewiesen, dass die Benachteiligung des Arbeitnehmers wegen der Behinderung seines Kindeserfolgt ist, für das er im Wesentlichen die Pflegeleistungen erbringt, deren es bedarf, so verstößt einesolche Behandlung gegen das Verbot der unmittelbaren Diskriminierung in Art. 2 II lit. a der Richtlinie2000/78/EG,EuGH, Uriel! vom 17.7.2008 - C-303/06; NZA 2008, 932

 

Diskriminierung wegen des Geschlechtes

1. Eine unzulässige mittelbare Diskriminierung auf Grund des Geschlechts ist nur gegeben, wenn diestreitige Maßnahme nicht durch objektive Faktoren gerechtfertigt ist, die nichts mit der Diskriminierungauf Grund des Geschlechts zu tun haben. Zudem muss der vom Arbeitgeber für die Ungleichbehand.-lung angeführte Grund einem wirklichen Bedürfnis des Unternehmens entsprechen und für die Errei-chung dieses Ziels geeignet und erforderlich sein.

2. Zeiten des Rubens des ArbeitsverhäItnisses dürfen unberücksichtigt bleiben, wenn mit der tatsch-lichen Arbeitsleistung ein Zuwachs an Erfahrungswissen verbunden ist, der durch das Entgelt vergütetwerden soil.(BAG, Urteil vom 21.5.2008 - 5 AZR 187/07; NZA 2008, 955)

 

Der Entschädigungsanspruch des Verletzten

1. Ein Anspruch des Arbeitnehmers nach § 15 II AGG gegen den Arbeitgeber auf Entschädigung we -gen eines Nichtvermögensschadens aufgrund eines Verstoßes gegen das Benachteiligungsverbotsetzt kein schuldhaftes Verhalten des Arbeitgebers voraus.

2. Voraussetzung für einen Entschädigungsanspruch nach § 15 II AGG ist nicht, dass der Arbeitneh-mer in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt worden ist. Bei einem Verstoß des Arbeitge-bers gegen das Benachteiligungsverbot ist grundsätzlich das Entstehen eines immateriellen Schadensbeim Arbeitnehmer anzunehmen, welcher zu einem Entschädigungsanspruch führt.

3. Benachteiligt ein Arbeitgeber einen Arbeitnehmer unter Verstoß gegen das Benachteiligungsverbotdes § 7 iVm. § 1 AGG, so hat der Arbeitnehmer einen Anspruch auf eine angemessene Entschädi-gung in Geld wegen des erlittenen Nichtvermögensschadens nach § 15 Abs. 2 AGG, ohne dass esdarauf ankommt, ob der Arbeitgeber schuldhaft gehandelt hat.

4. Voraussetzung für einen Entsch5digungsanspruchs wegen eines erlittenen Nicht-vermögensschadens nach § 15 Abs. 2 AGG ist nicht, dass der Arbeitnehmer in seinem allgemeinenPersönlicbkeitsrecht verletzt worden ist. Bei einem Verstoß des Arbeitgebers gegen das Benachteili-gungsverbot des § 7 iVm. § 1 AGG ist grundsätzlich das Entstehen eines immateriellen Schadensbeim Arbeitnehmer anzunehmen, der zueinem Entschädigungsanspruch führt.(BAG, Urteil vom 22.1.2009 - 8 AZR 906/07 BeckRS 2009 69262)

 

Diskriminierung wegen Alters

1. Alter ist ein ambivalentes, ein sog. relatives Differenzierungsmerkmal. Eine ,,weniger günstige Behandlung" i.S. von § 3 I AGG liegt daher nicht bereits dann vor, wenn ein Arbeitnehmer objektiv anders als ein älterer oder jüngerer Arbeitnehmer behandelt wird. Erforderlich ist vielmehr, dass sich die Differenzie-rung zwischen unterschiedlich alten Arbeitnehmern auf eine bestimmte Altersgruppe negativ auswirktund diese zurücksetzt.

2. Schutz und Integration äIterer Arbeitnehmer stehen im Vordergrund der mit der Richtlinie2000/78/EG und dem AGG verfolgten Ziele, soweit diese die Diskriminierung wegen des Alters verbie-ten. Diese Zielrichtung ist bei der Prüfung, ob eine Benachteiligung i.S. Von 3 I 1 AGG vorliegt, zubeachten.

3. Bei Anlegung des erforderlichen objektiven Maßstabes zur Beurteilung einer Benachteiligung wer-den ältere Arbeitnehmer durch die Herausnahme aus einem Personalabbau gegenüber jüngeren Ar-beitnehmern, die unter Zahlung einer Abfindung freiwillig aus dem Unternehmen ausscheiden könnenund sich neue Erwerbschancen suchen müssen, im Regelfall nicht weniger günstig behandelt. DerZweck des Diskriminierungsverbots wegen des Alters wird grundsätzlich gerade durch den weiterenVerbleib äIterer Arbeitnehmer im Arbeitsverhältnis verwirklicht.

4. § 10 AGG hat Art. 6 der Richtlinie 2000/78/EG unionsrechtskonform umgesetzt. Der nationale Ge-setzgeber durfte über die Generalklausel in § 10 S. 1 und 2 AGG auch Tarif-, Betriebsparteien odereinzelnen Arbeitgebern Ermessens- und Gestaltungsbefugnisse bei der Festlegung von Zielen, die alsrechtmäßig i.S. von Art. 6 der Richtlinie angesehen werden können, einräumen.(BAG, Urteil vom 25.2.2010 - 6 AZR 911/08; NZA 2010, 561)

 

Abgrenzung unmittelbare und mittelbare Diskriminierung

1. Die Aufforderung des Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber, an einem Deutschkurs teilzunehmen,um arbeitsnotwendige Sprachkenntnisse für eine zulässigerweise angeordnete Tätigkeit zu erwerben,ste!!t keinen Verstoß gegen das A!lgemeine Gleichbehandlungsgesetz dar.

2. Das gilt auch dann, wenn der Deutschkurs vertrags- oder tarifvertragswidrig außerhalb der Arbeits-zeit und auf eigene Kosten des Arbeitnehmers abso!viert werden soll.

4. Gem. § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG liegt eine unmittelbare Benachteiligung vor, wenn eine Person we-gen eines in § 1 AGG genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine anderePerson in einer verg!eichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde, wobei die sichnachtei!ig auswirkende Maßnahme direkt an das verbotene Merkmal anknüpfen muss.

5. Nach § 3 Abs. 2 AGG liegt eine mittelbare Diskriminierung vor, wenn dem Anschein nach neutraleVorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes gegen-über anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können, es sei denn, die betreffendenVorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäiges ZieI sachlich gerechtfertigt und dieMittel sind zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich.

(BAG, Urteil vom 22.6.2011 - 8 AZR 48/10; NZA 2011, 1226)

 

Diskriminierung wegen Ethnie- Indizien

1. Werden in einem Betrieb keine Arbeitnehmer nichtdeutscher Herkunft beschäftigt, jedoch im ge-samten Unternehmen Arbeitnehmer aus insgesamt 13 Nationen, so ist dies kein aussagekräftigesIndiz dafür, dass in diesem Betrieb Arbeitnehmer nichtdeutscher Herkunft benachteiligt werden.

2. Gegebene, jedoch falsche, wechselnde oder in sich widersprüchliche Begründungen für eine be-nachteiligende Maßnahme können Indizwirkung iSd.§ 22 AGG haben.

3. Aus Quoten oder Statistiken können sich Indizien für eine Diskriminierung ergeben. Jedoch ist diebloße Unterrepräsentation einer Gruppe von Beschäftigten nicht zwingend Indiz für eine diskriminie-rende Personalpolitik. So ist der Umstand, dass ein Arbeitgeber im gesamten Unternehmen Arbeit-nehmer aus 13 Nationen beschäftigt, in einem Betrieb jedoch zeitweise keine Arbeitnehmer nichtdeut-scher Herkunft, nicht aussagekräftig.

4. Zunächst liegt es in der Verantwortung des Arbeitnehmers, das Gericht von Indizien, also von derüberwiegenden Wahrscheinlichkeit einer Diskriminierung zu überzeugen. Erst dann trägt der Arbeit-geber die Beweislast dafür, dass eine diskriminierende Benachteiligung nicht vorlag.

5. Dagegen kann es ein Indiz für eine Diskriminierung darstellen, wenn ein Arbeitgeber bei der Aus-kunftserteilung Gründe angibt, die im Widerspruch zu seinem sonstigen Verhalten stehen.

(BAG, Urteil vom 21.6.2012 - 8 AZR 364/11; NZA 2012, 1345)

 

Diskriminierung wegen Alters und Stellenausschreibung

1. Werden in einer Stellenausschreibung für ein Traineeprogramm ,,Hochschu!absolventen/YoungProfessionells" gesucht und richtet sich die Ausschreibung ausdrücklich an ,,Berufsanfänger", so kanndies ein Indiz für die Vermutung einer unzulässigen altersbedingten Benachteiligung eines 36.-jährigenJuristen mit Berufserfahrung darstellen, der nicht in das Bewerberauswahlverfahren einbezogen wurde.

2. Ein öffentlicher Arbeitgeber, der eine Stella für ,,Hochschulabsolventen" ausgeschrieben hat, darfseine Bewerberauswah! auf die Bewerber mit den besten Examensnoten beschränken.(BAG, Urteil vom 24.1.2013 - 8 AZR 429/11; NZA 2013, 498)

 

Diskriminierung wegen Behinderung und Schadenersatz

1. Ein Schadensersatzanspruch wegen Benachteiligung im Bewerbungsverfahren ist nur begründet,wenn Indizien die Benachteiligung vermuten lassen.

2. Ein Arbeitgeber ist nicht verpflichtet, die Beteiligten . unverzüg!ich i. S. des § 81 I 9 SGB IX über die Gründe seiner Auswahlentscheidung bei Bewerbungen zu unterrichten, wenn er die Beschäftigungsquotenach 9 71 I SGB IX erfüllt.

3. Verstöße gegen gesetzliche Verfahrensregelungen, die zur Förderung der Chancen der schwerbe-hinderten Menschen geschaffen wurden, können eine Indizwirkung für eine Benachteiligung begründen.

4. Besteht für den Arbeitgeber die aus § 81 I 9 SGB IX abzu!eitende Pflicht, die getroffene Beset-zungsentscheidung unverzüglich mit allen Beteiligten zu erörtern, so kann aus der Verletzung dieser Pflicht eine Indizwirkung i. S. des § 22 AGG abgeleitet werden.

5. Die Pflicht, die Beteiligten unverzüglich über die Gründe für die Auswahlentscheidung zu unterrich-ten, besteht nicht für Arbeitgeber, die die Beschäftigungsquote nach § 71 I SGB IX erfüllen.

6. Grundsätzlich trägt der Anspruchsteller die Beweis- und Darlegungslast dafür, dass der Arbeitgeberdie Beschäftigungspflicht nach § 71 I SGB IX nicht erfüllt.

7. Die Vertrauenspersonen der Schwerbehinderten haben bei der Wahrnehmung ihrer gesetzlichenAufgaben die gleiche persönliche Rechtsstellung gegenüber dem Arbeitgeber wie ein Mitglied derbetrieblichen Interessenvertretung, § 96 III 1 SGB IX. Daher besteht grundsätzlich kein Weisungsrechtdes Arbeitgebers, wenn die Vertrauenspersonen ihren gesetzlichen Aufgaben nachkommen, wozuauch die Teilnahme an Vorstellungsgesprächen bei Bewerbungen schwerbehinderter Menschen gehört.

(BAG, UrteiI vom 21.2.2013 - 8 AZR 180/12; NZA 2013, 498)

 

Diskriminierende Kündigung

1. Die Ausschließlichkeitsanordnung des § 2 IV AGG steht nicht einem Entschädigungsanspruch gem.§ 15 II AGG entgegen. Der Arbeitnehmer ist deshalb auch nicht gezwungen, zunächst Klage gegeneine diskriminierende Kündigung zu erheben.

2. Im FaIIe elmer diskriminierenden Kündigung ist bei erheblicher Schwere der Diskriminierung eineEntschädigung von drei Bruttomonatsverdiensten des Arbeitsnehmers festzusetzen, und zwar auchdann, wenn sich der Arbeitnehmer gegen eine Probezeitkündigung von einem Monat nicht hätte wehren können.

(LAG Bremen, Urteil vom 29.6.2010 - 1 Sa 29/10; NZA-RR 2010, 510)

 

Diskriminierende Urlaubsregelung

1. Die Urlaubsanspruchsstaffelung des § 15 Abs. 3 MTV Einzelhandel NRW beinhaltet eine unzulässi-ge Diskriminierung wegen des Alters.

2. Die Unwirksamkeit der Bestimmung zieht eine Angleichung des Urlaubsanspruchs benachteiligterjüngerer Arbeitnehmer "nach oben" nach sich.

(LAG Düsseldorf, Urteil vom 18.1.2011 - 8 Sa 1274/10; BeckRS 2011, 73310)