Verhaltensbedingte Kündigung

 

Rechtfertigt auch die bloße Schlechtleistung eine verhaltensbedingte Kündigung?

1. Auf Pflichtverletzungen beruhende Schlechtleistungen sind geeignet, eine ordentliche Kündigung zurechtfertigen. Der Arbeitnehmer muss unter angemessener Ausschöpfung seiner persönlichen Leis-tungsfähigkeit arbeiten.

2. Ob der Arbeitnehmer dieser Verpflichtung nachkommt, ist für den Arbeitgeber anhand objektivierba -rer Kriterien nicht immer erkennbar. Es gelten insoweit die Regeln der abgestuften Darlegungslast. Beleiner Kündigung wegen qualitativer Minderleistung des Arbeitnehmers ist es zunächst Sache desArbeitgebers, zu den aufgetretenen Leistungsmängeln das vorzutragen, was er über die Fehlerzahl,die Art und Schwere sowie Folgen der fehlerhaften Arbeitsleistung des Arbeitnehmers wissen kann.Kann der Arbeitgeber darlegen, dass der Arbeitnehmer Iängerfristig die durchschnittliche Fehlerhäu-figkeit aller mit vergleichbaren Arbeiten beschäftigter Arbeitnehmer erheblich überschreitet, so kanndies ein Anhaltspunkt dafür sein, dass der Arbeitnehmer vorwerfbar seine vertraglichen Pflichten ver-\etzt.

3. Da jedoch der Vergleich durchschnittlicher Fehlerquoten für sich noch keinen hinreichenden Auf-schluss darüber gibt, ob durch die fehlerhafte Arbeit des gekündigten Arbeitnehmers das Verhältnisvon Leistung und Gegenleistung stark beeinträchtigt ist, muss der Arbeitgeber hier weitere Umständedarlegen. Anhand der tatschlichen Fehlerzahl, der Art, Schwere und Folgen der fehlerhaften Arbeits-leistung des betreffenden Arbeitnehmers ist näher darzulegen, dass die Iängerfristige deutliche Über-schreitung der durchschnittlichen Fehlerquoten nach den Gesamtumständen darauf hinweist, dass derArbeitnehmer vorwerfbar seine vertraglichen Pflichten verletzt.

4. Legt der Arbeitgeber dies im Prozess dar, so muss der Arbeitnehmer erläutern, warum er trotz er-heblich unterdurchschnittlicher Leistungen seine Leistungsfähigkeit ausschöpft.(BAG, Urteil vom 17.1.2008 - 2 AZR 536/06; NZA 2008, 693)

 

Unter welchen Voraussetzungen kann der Arbeitgeber wirksame eine Verdachtskündigung aussprechen?

1. Eine Verdachtskündigung ist dann zulässig, wenn sich starke Verdachtsmomente auf objektiveTatsachen gründen, die Verdachtsmomente geeignet sind, das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen zu zerstören, und der Arbeitgeber alle zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhalts unternommen, insbesondere dem Arbeitnehmer Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hat.

2. Die Anhörung des Arbeitnehmers hat im Zuge der gebotenen Aufklärung des Sachverhalts zu erfol-gen. Ihr Umfang richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls.

3. Die Anhörung muss sich auf einen greifbaren Sachverhalt beziehen. Der Arbeitnehmer muss dieMöglichkeit haben, bestimmte, zeitlich und räumlich eingegrenzte Tatsachen zu bestreiten oder denVerdacht entkräftende Tatsachen zu bezeichnen und so zur Aufhellung der für den Arbeitgeber imDunkeln liegenden Geschehniss beizutragen.

4. Allein um dieser Aufklärung willen wird dem Arbeitgeber die Anhörung abverlangt. Dagegen ist sienicht dazu bestimmt, als verfahrensrechtliche Erschwemis die Aufklärung zu verzögern und die Wahr-heit zu verdunkeln.

5. Kommt es im Rahmen der Anhörung auf die Kenntnis des Arbeitnehmers von bestimmten Tatsa-chen an, so kann ihm das Wissen eines Bevollmächtigten nicht zugerechnet werden.

6. Die Anhörung des Arbeitnehmers vor Ausspruch einer Verdachtskündigung soll ihm die Möglichkeitgeben, den gegen ihn bestehenden Verdacht zu entkräften. Dies ist aber nur dann möglich, wenn derArbeitnehmer eigene Kenntnis von den gegen ihn erhobenen Vorwürfen hat. Die Anwendung deszivilrechtlichen Stellvertretungsrechts kommt nicht in Betracht.

(BAG, Urteil vom 13.3.2008 -. 2 AZR 961/06; NZA 2008, 809)

 

BAG, urteil vom 3.4.2008 - 2 AZR 965/06; NZA 2008, 807

1. Nach 102 I 1 BetrVG besteht eine Anh6rungspflicht des Arbeitgebers vor jeder KOndigung. NachSinn und Zweck der Vorschrift, dem Betriebsrat Gelegenheit zu geben, auf den KOndigungsentschlussdes Arbeitgebers Einfluss zu nehmen, kann ein Anh6rungsverfahren grunds5tzlich nur fOr die KOndi-gung Wirksamkeit entfalten, fOr die es eingeleitet Worden ist.

2. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Arbeitgeber wegen Bedenken gegen die Wirksamkeit derersten KOndigung vorsorglich erneut kOndigt. Das durch die ordnungsgem5Be Anh6rung erworbeneRecht zum Ausspruch der KOndigung isl durch den Zugang der KOndigung ,,verbraucht".

3. Entscheidend isl, dass der Betriebsrat bei jeder vom Arbeitgeber beabsichtigten KOndigung seinerein aus. Eine mit der ErkIrung verbundene St6rung des Vertrauensverh5Ithisses zwischen Arbeit-nehmer und Arbeitgeber wiegt dann aber regelm5Big weniger schwer. In einem solchen Fail kannnicht ohne Weiteres Von einer erheblichen, eine auBerordentliche KOndigung rechtfertigenden PfIicht-3. verletzung ausgegangen werden. Beruft sich der Arbeitnehmer gegenOber einer auf die ,,Androhung" einer Erkrankung gestOtztenKOndigung darauf, er sei im Zeitpunkt der AnkOndigung seiner kOnftigen Erkrankung bereits objektivkrank gewesen, ist er im Rahmen einer sekund5ren Behauptungslast gehalten vorzutragen, welchekonkreten Krankheiten bzw. Krankheitssymptome im Zeitpunkt der AnkOndigung vorgelegen habenund weshalb er darauf schlieBen durfte, auch noch am Tag der begehrten Freistellung arbeitsunf5higzu sein. Erst wenn der Arbeitnehmer insoweit seiner Substanziierungspflicht nachgekommen ist undgegebenenfalls seine ihn behandelnden Arzte Von der Schweigepflicht entbunden hat, muss der Ar-beitgeber auf Grund der ihm obliegenden Beweislast for das Vorliegen eines die KOndigung rechtferti-genden wichtigen Grundes den Vortrag des Arbeitnehmers widerlegen.

4. Je nach den Urnst5nden des Falls k6nnen aber auch die Indizien, die fOr eine widerrechtliche Dro-hung des Arbeitnehmers mit einer kOnftigen, im Zeitpunkt der AnkOndigung nicht bestehenden Erkran-kung sprechen, so gewichtig sein, dass es dem Arbeitnehmer obliegt, diese zu entkr5ften.

5. M5ngel des Anh6rungsverfahrens, die im Verantwortungsbereich des Personalrats Regen, fOhrengrunds5tzIich nicht zur Unwirksamkeit der KOndigung.

 

BAG, Urteil vom 12.3.2009 - 2 AZR 894/07; NZA 2009, 840

1. Auch die vom Arbeitnehmer ausgesprochene auerordentliche KOndigung bedarf zu ihrer Wirksam-keit eines wichtigen Grundes i.S. des 626 I BGB. Es gelten dieselben MaBst5be wie für die Kündigung des Arbeitgebers

2. Die Geltendmachung der Unwirksamkeit einer schriftlich erklrten fristlosen Eigenkündigung durchden Arbeitnehmer ist regelmig treuwidrig.

3. Wenn das Gesetz die Wirksamkeit der auerordentiichen und fristlosen Kündigung an das Vorlie

4. gen eines wichtigen Grundes knöpft, so geschieht das nicht, um dem Kündigenden die Möglichkeit zuer6ffnen, seine einmal bekundete Lösungsabsicht rückgängig machen zu können. Vielmehr soil -

5. gerade im Gegenteil - der Vertragspartner vor einem ihn pl6tzlich treffenden unberechtigten Vertrags-bruch geschützt werden.

BAG, Urteil vom 23.6.2009 - 2 AZR 474/07; NZA 2009, 11361.

Führt der Arbeitgeber eine behauptete nachgewiesene Pflichtwidrigkeit und den Verdacht einerentsprechenden Pflichtwidrigkeit nicht innerhalb eines Schreibens, sondern in zwei getrennten, voIi-st5ndig ausformulierten Schreiben als Kündigungsgrund an, mit denen er nebeneinander ausdrücklichjeweils eine auBerordentliche, hilfsweise ordentliche KOndigung erkl5rt, muss der Arbeitnehmer diesregelm5ig so verstehen, dass der Arbeitgeber wegen eines jeden der angefOhrten GrOnde eine ei-genst5ndige KOndigung aussprechen will.BAG, Urteil vom 23.6.2009 - 2 AZR 283/08; NJOZ 2009, 3929

1.Der angestellte Bildberichterstatter einer Nachrichtenagentur ist zu h6flichem und korrektem Verbal-ten bei AusObung seiner T5tigkeit verpflichtet. Kommt er dieser Pflicht nicht nach, so liegt eine Ver-tragsverletzung vor, die den Arbeitgeber je nach Schwere der Pflichtverletzung im Einzelfall zu einerAbmahnung oder auch einer KOndigung berechtigen kann.

2. Eine KOndigung wegen einer Vertragspflichtverletzung setzt regelm5ig voraus, dass der Arbeitge-ber den Arbeitnehmer zuvor wegen einer einschl5gigen Pflichtverletzung abgemahnt hat und der Ar-beitnehmer damit gewarnt ist.

3. In der Abmahnung muss der Arbeitgeber den dem Arbeitnehmer vorgeworfenen VertragsverstoB sogenau bezeichnen, dass der Arbeitnehmer den Inhalt der nach Auffassung des Arbeitgebers verletz-ten Pflicht erkennen kann.

4. Ob eine Abmahnung ausnahmsweise auch dann die kOndigungsrechtliche Warnfunktion erfOllenkann, wenn sie in der Sache nicht gerechtfertigt ist, bleibt offen.

 

BAG, Urteil vom 20.8.2009 - 2 AZR 165/08; NZA 2009, 1227

1. & 69 III ArbGG verlangt for Urteile, gegen die die Revision statthaft ist, eine gedr5ngte Darsie/lungdes Sach- und Streitstands auf der Grundlage der mOndlichen Vortr5ge der Parteien. Das ist erforder-lich, um eine NachprOfung durch das Revisionsgericht zu erm6glichen.

2. VerbIt sich das Berufungsurteil Ober die Frage, ob fOr eine auerordentliche KOndigung ein wichti-ger Grund gegeben ist, so muss der unstreitige und streitige Tatsachenvortrag zu den KOndigungs-grOnden konkret mitgeteilt werden; allgemeine Wertungen wie, eine Partei babe gegen nicht n5herdargestellte Pflichten auf nicht n5her eingegrenzte gravierende Weise verstoen und dadurch nichfn5her oder nur gr6enordnungsm5ig beschriebene Sch5den herbeigefOhrt, werden den Anforderun-gen nicht gerecht.

BAG, Urteil vom 10.6.2010 - 2 AZR 541/09; NZA 2010, 1227

1. Der Umstand, dass der Arbeitgeber eine KOndigung lediglich mit dem dringenden Verdachf einerPflichtverletzung begrOndet und im Prozess keinen Tatvorwurf als KOndigungsgrund ,,nachgeschoben"hat, schliet es fOr die Gerichte grunds5tzlich nicht aus, die Pflichtverletzung auf Grund entsprechen-der Tatsachen als nachgewiesen anzusehen.

2. Begeht der Arbeitnehmer bei oder im Zusammenhang mit seiner Arbeit rechtswidrige und vors5tzIi-che Handlungen unmittelbar gegen das Verm6gen seines Arbeitgebers, verletzt er zugleich inschwerwiegender Weise seine schuldrechtliche Pflicht zur ROcksichtnahme ( 241 II BGB) und miss

3. Der vorsätzliche Versto eines Arbeitnehmers gegen seine Verpflichtung, die abgeleistete Arbeits-zeit korrekt zu dokumentieren, isl an sich geeignet, einen wichtigen Grund i. S. Von 626 I BGB dar-zusteflen. Der Arbeitnehmer vertetzt damit in erhebficher Weise seine ihm gegenOber dem Arbeitgeberbestehende Pfficht zur ROcksichtnahme ( 241 It BGB).Die Bewertung eines Fehfverhaltens afs vorsätzfich tiegt im Wesentlichen auf tats5chfichem Goblet und isl Gegenstand der tatrichterfichen BeweiswOrdigung i. S. Von 286 ZPO. Das Revisionsgerichtkann bezOglich der Feststetfung innerer Tatsachen nur prOfen, ob das Tatsachengericht Von den rich-tigen Beurteifungsmast5ben ausgegangen isl, die wesenttichen Urnst5nde berOcksichtigt und keineDenkgesetze, Erfahrungss5tze oder Verfahrensvorschriften vertetzt hat.3. Bei der Prüfung, ob dem Arbeitgeber eine Weiterbeschftigung des Arbeitnehmers trotz Vorliegenseiner erhebtichen Pflichtverfetzung jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar isl, isl ineiner GesamtwOrdigung das tnteresse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeits-verh5ftnisses gegen das tnteresse des Arbeitnehmers an dessen Fortbestand abzuw5gen. Es hat eineBewertung des Einzelfafls unter Beachtung des Verb5ftnism5igkeitsgrundsatzes zu erfofgen.

4. Nach dem Verb5Itnism5Bigkeitsgrundsatz isl eine Kündigung nicht gerechtfertigt, wenn es mifdereMillet gibt, eine Vertragsst6rung zukOnftig zu beseitigen. Einer Abmahnung bedarf es in Ansehung desVerh5ftnismigkeitsgrundsatzes nur dann nicht, wenn eine Verhaftens5nderung in Zukunft selbstnach Abmahnung nicht zu erwarten steht oder es sich um eine so schwere Pffichtvertetzung handeft,dass eine Hinnahme durch den Arbeitgeber offensichtlich - auch fOr den Arbeitnehmer erkennbar -ausgeschtossen isl. Dies gilt grundstztich auch bei St6rungen im Vertrauensbereich.

5. Die Umstnde, anhand defer zu beurteifen isl, ob dem Arbeitgeber die Weiterbeschftigung jeden-falls bis zum Abfauf der KOndigungsfrist zumutbar ist oder nicht, lassen sich nicht abschfieend festfe-

6. gen. Zu berOcksichtigen sind aber regetm5ig das Gewicht und die Auswirkungen einer Vertrags-pffichtverfetzung - etwa im Hinblick auf das Ma eines durch sie bewirkten Vertrauensverfusts und ihre

7. wirtschaftlichen Fotgen -, der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers, eine m6gfiche Wiederho-fungsgefahr sowie die Dauer des Arbeitsverh5!misses und dessen st6rungsfreier Verlauf.BAG, Ufffeil vom 9.6.2011 - 2 AZR 323/10; NZA 2011, 1342

1. Eine sexuelle Bel5stigung i.S. Von 3 Abs. 4 AGG Steffi nach 7 Abs. 3 AGG eine Verletzung ver-traglicher Pflichten dar. Sie isl "an sich" als wichtiger Grund i.S. Von 626 Abs. 1 BGB geeignet. Obdie sexuelle Bel5stigung im Einzeffall zur auerordentlichen KOndigung berechtigt, isl abh5ngig Vonden Urnst5nden des Einzeffalls, ua. Von ihrem Umfang und ihrer Intensit5t.

2. Eine sexuefte Belstigung i.S. Von 3 Abs. 4 AGG tiegt vor, wenn ein unerwOnschtes, sexueff be-stimmtes Verhatten bezweckt oder bewirkt, dass die WOrde der betreffenden Person verletzt wird. FOr4. Die BerOcksichtigung der Dauer des ArbeitsverhItnisses und seines st6rungsfreien Verlaufs bei derInteressenabwgung im Rahmen Von 626 Abs. 1 BOB verst6t nicht gegen das Oebot einer unions-rechtskonformen Auslegung des nationalen Rechts. Eine darin m6glicherweise liegende mittelbareBenachteiligung jOngerer Arbeitnehmer ist durch ein legitimes Ziel und verh5Itnism5ige Mittel zuseiner Durchsetzung iSv. Art. 2 Abs. 2 Buchst. b Unterabs. i RL 2000/78/EO gerechtfertigt.5. In der Zustimmung des Integrationsamts zu einer auBerordentlichen KOndigung ist weder konkIu-dent eine Zustimmung auch zur ordentlichen KOndigung nach 85 SOB IX enthalten noch kann seineEntscheidung nach 43 I SOB X in eine Zustimmung zur ordentlichen KOndigung umgedeutet wer-den.

 

BAG, Urteil vom 19.4.2012 - 2 AZR 156/11; NZA 2012, 1274

1. Eine Orundschullehrerin hat ihr Verhalten in der Schule so einzurichten, dass die Verwirklichungdes ihr zukommenden gesetzlichen Erziehungsauftrags nicht gef5hrdet wird.

2. Eine Orundschullehrerin verletzt erheblich ihre arbeitsvertraglichen Pflichten, wenn sie SchOlern zuDisziplinierungszwecken die MOnder mit Tesafilm verklebt.

 

 

1. Die VerhItnismOigkeit einer KOndigung ist anhand aller relevanten Umstnde des Einzelfalls undunter Abw5gung der Interessen beider Vertragsteile zu prOfen. Auch ein nach seinem zeitlichen Um-fang erheblicher VerstoG gegen ein ausdrOckliches Verbot der privaten Nutzung des dienstlichen In-ternetanschlusses sowie das Herunterladen Von pornografischem Bildmaterial schaffen keinen absoIu-ten KOndigungsgrund.

2. Die Befugnis zur selbstndigen Einstellung und Entlassung Von Arbeitnehmern i. S. des & 14 IIKSchO muss entweder eine bedeutende Anzahl Von Arbeitnehmern oder eine gewisse Anzahl bedeu-tender Arbeitnehmer erfassen. Sie muss einen wesentlichen TeiI der T5tigkeit des Angestellten aus-machen und tats5chlich ausgeObt werden. Es kann ausreichend sein, dass sich die personellen Ent-scheidungskompetenzen des Angestellten auf eine begrenzte Oruppe Von Mitarbeitern beziehen, diefOr das Unternehmen, insbesondere fOr dessen unternehmerischen Erfolg, Von Bedeutung ist.

3. Zur selbstndigen Einstellung oder Entlassung i. S. des 14 II KSchO sind nur solche Arbeitneh-mer berechtigt, deren entsprechende Befugnis nicht nur im AuBen-, sondern auch im Innenverh5Itnisbesteht. Sie darf sich nicht darauf beschr5nken, intern Vorschl5ge zu unterbreiten. Der Selbst5ndigkeitder Personalkompetenz steht nicht entgegen, dass der Angestellte unternehmensinterne Vorgabenwie etwa einen Stellenplan zu beachten hat.

4. Steht ein Arbeitnehmer in arbeitsrechtlichen Beziehungen zu mehreren natOrlichen oder juristischenPersonen, kann statt mehrerer getrennter ArbeitsverhItnisse ein einheitliches ArbeitsverhItnis gege-

1. Entwendet eine Verk5uferin Zigarettenpackungen aus dem Warenbestand des Arbeitgebers, kanndies auch nach Ingerer Beschftigungsdauer eine KOndigung des Arbeitsverh!misses fechtfertigen.

2. Das aus einer verdeckten VideoOberwachung 6ffentlich zug5nglicher Arbeitspl5tze gewonneneBeweismaterial unterliegt nicht allein deshalb einem prozessualen Beweisverwertungsverbot, weil esunter Versto gegen das Gebot in 6b II BDSG gewonnen wurde, bei Videoaufzeichnungen 6ffentlichzug5nglicher Rume den Umstand der Beobachtung und die verantwortliche Stelle durch geeigneteMaBnahmen kenntlich zu machen.

3. Begeht ein Arbeitnehmer bei oder im Zusammenhang mit seiner Arbeit rechtswidrige und vors5tzli-che - ggf. strafbare - Handlungen unmittelbar gegen das Verm6gen seines Arbeitgebers, verletzt erzugleich in schwerwiegender Weise seine schuldrechtliche Pflicht zur ROcksichtnahme ( 241 II BGB)und missbraucht das in ihn gesetzte Vertrauen. Dies kann eine verhaltensbedingte KOndigung recht-fertigen, und zwar auch dann, wenn die rechtswidrige Handlung Sachen Von nur geringem Weft betrifftoder zu einem nur geringfOgigen, m6glichefweise zu gar keinem Schaden gefOhft hat und def Arbeit-nehmer schon I5nger - hier: 18 Jahre - beach5ftigt war. MaBgebend ist def mit der Pflichtverletzungverbundene Vertrauensbruch.

4. Far den Grad des Verschuldens und die M6glichkeit einer Wiederherstellung des Vertrauens machtes objektiv einen Unterschied, ob es sich bei einer Pflichtverletzung um ein Verhalten handelt, dasinsgesamt auf Heimlichkeit angelegt ist oder nicht.

5. Bei der Abw5gung zwischen dem Interesse an einer funktionstOchtigen Rechtspflege und demSchutz des informationellen Selbstbestimmungsrechts als Ausfluss des durch Art. 2 I iVm. Art. 1 I GGgew5hrleisteten allgemeinen Pers6nlichkeitsrechts hat das Interesse an der Verwertung Von heimlichbeschafften pers6nlichen Oaten nur dann h6heres Gewicht, wenn Ober das schlichte Beweisinteressehinausgehende Aspekte hinzukommen, die die Informationsbeschaffung und Beweiserhebung alsschutzbedOrftig qualifizieren und aufgrund defer das Verwertungsinteresse trotz def Pers6nlichkeits-beeintr5chtigung Oberwiegt.

6. Danach ist die heimliche VideoOberwachung eines Arbeitnehmers zulssig, wenn def konkrete Ver-dacht einer strafbaren Handlung oder einer anderen schweren Verfehlung zu Lasten des Arbeitgebersbesteht, weniger einschneidende Mittel zur Aufklrung des Verdachts ergebnislos ausgesch6pft sind,die verdeckte VideoOberwachung damit praktisch das einzig verbleibende Mittel darstellf und sie ins-gesamt nicht unverh5Itnism5Big ist. Der Verdacht muss in Bezug auf eine konkrete strafbare Hand-lung oder andere schwere Verfehlung zu Lasten des Arbeitgebers gegen einen zumindest rumlichund funktional abgrenzbaren Kreis Von Arbeitnehmern bestehen.nicht schwerwiegender und durch beanstandungsfreies Verhalten faktisch Oberholter Pflichtenverstoseine Bedeutung auch fol eine spter erforderlich werdende Interessenabw5gung g5nzilch verlieren.Eine nicht unerhebliche Pflichtverletzung im Vertrauensbereich wird demgegenOber eine erheblicheZeit Von Bedeutung sein.

 

LAG Rheinland-Pfalz, UrteiI vom 25.5.2007 - 6 Sa 53/07; juris

1. Eine auerordentliche KOndigung ist nur zul5ssig, wenn alle anderen, nach den jeweiligen Urnst5n-den des konkreten Falles m6glichen und angemessen milderen Mittel, die geeignet sind, das in derbisherigen Form nicht mehr tragbare Arbeitsverh5ltnis fortzusetzen, ersch6pft sind.

2. Bei einem Oberschreiten der h6chstzul5ssigen Arbeitszeit nach 3 Arbeitszeitgesetz oder einerarbeitszeitwidrigen Anordnung zur Pausennahme, scheidet eine KOndigung wegen Arbeitsverweige-rung Von vorneherein aus.

 

LAG NOrnberg, Urteil vom 16.10.2007 - 7 Sa 182/07; BeckRS 2007 48823

1. Eine lange Betriebszugeh6'rigkeitsdauer kann gewichtungsneutral sein, wenn der Arbeitgeber demArbeitnehmer lange Vertrauen entgegen gebracht hat und damit die Zerst6rung des Vertrauens be-sonders schwer wiegt.

2. Die Nachahmungsgefahr durch andere Arbeitnehmer steigert das Aufl6sungsinteresse des Arbeit-gebers.

3. Der Umfang der zukOnftig befOrchteten Sch5den wird nicht notwendigerweise durch den vergange-nen Schaden begrenzt. MaBgebend ist die objektiv im KOndigungszeitpunkt bestehende Gefahr.

 

LAG Rheinland-Pfalz, UrteiI vom 21.1.2010 - 10 Sa 562/09; BeckRS 2010, 67057

1. Unterbricht der Arbeitnehmer w5hrend der bezahlten Arbeitszeit seine Albeit und bleibt unttig, weiler sich privaten bingen widmet (z.B. eine Zigarettenpause einlegt, private (Telefon-)Gesprche fOhrt,privat im Internet surft, Zeitung liest), verletzt er seine Hauptleistungspflicht zur Albeit, was eine ver-haltensbedingte KOndigung rechtfertigen kann.

2. AIs milderes Mittel ist vor einer KOndigung die Verpflichtung zur Zeiterfassung jeder Pause in Erw5-gung zu ziehen.LAG Kain, Urteil vom 22.4.2010 - 7 Sa 1206/09; BeckRS 2010, 73629Tritt ein im Linienverkehr eingesetzter Busfahrer trotz vorangegangener einschl5giger Abmahnungzum wiederholten Mal seinen Dienst nicht an, weil er "verschlafen" bzw. sich bei der Einsicht in dieDienstplaneinteilung "vertan" hat, so kann dies eine ordentliche, fristgerechte KOndigung seines Ar-beitsverh5lthisses rechtfertigen.

3. Entsprechendes gilt fol bewusst wahrheitswidrig aufgestellte Tatsachenbehauptungen, etwa wennsie den Tatbestand der Oblen Nachrede erfOllen.

4. Auch eine einmalige Ehrverletzung kann kOndigungsrelevant sein und ist umso schwerwiegenderzu bewerten, je unverh5Itnism5Biger und Oberlegter sie erfolgte.

5. Far ein Berufsausbildungsverh5ltnis sind insoweit grunds5tzIich keine anderen Mastbe aufzusteI-len.

6. Die Form einer groben Beleidigung liegt dabei dann vor, wenn es sich um eine besonders schwere,kr5nkende Beleidigung handelt, wenn eine bewusste und gewollte Ehrkrnkung aus geh5ssigen Moti-ven damit verbunden ist.

 

Löschung von Daten als Kündigungsgrund

Die umfangreiche Datenlöschung kann das Vertrauen des Arbeitgebers in die Integrität des Arbeitnehmers vollständig zerstören. Daten stehen in der Verfügungsmacht des Arbeitgebers. Eine eigenmächtige Löschung mit den sich daraus ergebenden internen Problemen und gegenüber Kunden ist ein so erheblicher Verstoß gegen selbstverständliche Nebenpflichten, dass die sofortige Beendigung des Arbeitsverhältnisses gerechtfertigt ist. Auch eine Abmahnung ist nicht notwendig.

(LAG Hessen, 05.08.2013, 7 Sa 1060/10, NZA 2014, VII)

 

Verdachtskündigung: Kann der Arbeitgeber den Ausgang eines Strafverfahrens abwarten ohne Gefahr zu laufen, die 2-Wochen-Frist des § 626 II BGB zu versäumen?

Der Kündigungsberechtigte, der Anhaltspunkte für ein strafbares Verhalten des Arbeitnehmers hat, kann grds. den Fortgang eines laufenden Straf- und /oder Ermittlungsverfahrens abwarten. Kündigt er in einem solchen Fall zu einem nicht willkürlich gewählten späteren Zeitpunkt, reicht dies zur Wahrung der Frist des § 626 II BGB regelmäßig aus. Es steht dem Arbeitgeber auch frei, eigene Ermittlungen anzustellen und die Strafverfolgungsbehörden nicht oder nicht unmittelbar einzuschalten. Auch private Ermittlungen hemmen - zügig vorangetrieben - den Lauf der Zwei-Wochen-Frist ( BAG 16.07.2015, 2 AZR 85/15, NZA 2016, 161 ).