Auf welche Rechtsverhältnisse ist das Mindestlohngesetz anwendbar?
Das MiLoG ist gem. § 22 I 1 MiLoG auf alle Arbeitsverhältnisse anwendbar, so dass Strafgefangene ( OLG Hamburg ( 15.07.2015, 3 Ws 59/715 ), arbeitnehmerähnliche Personen ( ArbG Kiel 19.06.2015, 2 Ca 165 a/15 ), ehrenamtliche Tätigkeiten ausscheiden.
Soweit Tarifverträge Mindestlöhne vorsehen, ist gem. § 24 I MiLoG zu unterscheiden: bis 31.12.2016 gehen bundesweit geltende tarifvertragliche Regelungen vor, die gem. § 3 AEntG für die in § 4 AEntG genannten Branchen zwingend gelten, also gem. § 5 TVG für allgemeinverbindlich erklärt wurden oder eine Geltungserstreckung gem. §§ 7, 7a AEntG durch RVO vorliegt. Gleiches gilt für eine RVO, die auf der Grundlage von § 11 AEntG für die Pflegebranche oder gem. § 3a AÜG für die Arbeitnehmerüberlassung erlassen wurde. Ab dem 1.1.2017 gehen diese branchenspezifischen Regelungen gegenüber dem MiLoG als Spezialgesetz nur vor, wenn sie mindestens dem Mindestlohn nach dem MiLoG entsprechen.
Das MiLoG gilt auch für Entgeltansprüche ohne Arbeitsleistung wie z.B. § 11 ΒUrlG, § EntGFG, § 11 MuSchG, §§ 615, 616 BGB ( BAG 19.11.2014, 5 AZR 1101/12). Es findet damit auch auf Phasen der Arbeitsbereitschaft und des Bereitschaftsdienstes Anwendung, die als Arbeitszeit im Sinne des ArbeitszeitG anzusehen sind ( vgl. zu dem analogen Problem des Mindestentgeltes im Sinne von § 2 PflegeArbbV BAG 19.11.2014, 5 AZR 1101/12). Demgegenüber fällt die Rufbereitschaft nicht hierunter, die sich dadurch auszeichnet, dass sich der Arbeitnehmer an einem Ort seiner Wahl aufhalten darf.
Wie wird der Mindestlohn berechnet, welche Entgeltbestandteile sind berücksichtigungsfähig?
Ist ein Stundenlohn vereinbart bereitet die Beantwortung der Frage, ob das MiLoG eingehalten wurde, keine Schwierigkeiten, da aus der Anzahl der Stunden und dem Ansatz des in § 1 II 1 MiLoG vorgeschriebenen Mindestlohnes exakt die stundenbezogene Vergütung ermittelt werden kann. Bei einer nicht stundenbezogenen Vergütung ist auf den jeweiligen Referenzzeitraum ( Wochen- oder Monatsvergütung ) abzustellen und im Wege einer Durchschnittsbetrachtung die Einhaltung des MiLoG zu überprüfen.
Nach h.M. kommt es für die Berücksichtigungsfähigkeit von Leistungen des Arbeitgebers darauf an, ob zwischen dem Zweck der vom Arbeitgeber erbrachten Leistung und dem Zweck des Mindestlohns eine funktionale Gleichwertigkeit besteht ( BAG NZA 2014, 1277 ).
Danach sind folgende Leistungen zu berücksichtigen:
- Entgeltumwandlung gem. § 1a BetrAVG
- Weihnachts- und Urlaubsgeld und sonstige Sonderzahlungen, sofern der Arbeitnehmer den auf den relevanten Zeitraum entfallenden anteiligen Betrag jeweils zu dem für den Mindestlohn maßgeblichen Fälligkeitsdatum tatsächlich und unwiderruflich ausbezahlt erhält ohne Rückholmöglichkeit und nur dann, wenn sich die Sonderzahlung als leistungsbezogene Vergütung darstellt und nicht anderen Zwecken dient, wie z.B der Belohnung von Betriebstreue
Nicht zu berücksichtigen sind demgemäß:
- Leistungen ohne Entgeltcharakter, wie z.B. die Überlassung von Dienstkleidung oder Arbeitsgerät,
- Leistungen Dritter, wie z.B. Trinkgelder oder Aktienoptionen der Konzernmutter
- Vermögenswirksame Leistungen des Arbeitgebers oder Leistungen des Arbeitgebers zur betrieblichen Altersversorgung,
- Zuschläge für Überstunden, Wochenend-, Feiertags-, Nachtarbeit, Schmutzzulage, weil sie ein Mehr oder Arbeit unter besonderen Bedingungen vergüten sollen.
Mit der Bemessungsgrundlage von Zuschlägen hatte sich das LAG Berlin-Brandenburg in der Entscheidung vom 12.01.2016 - 19 Sa 1851/15 zu befassen und festgestellt, dass es zwar zulässig ist, Zuschläge für Überstunden, Sonn- und Feiertagsarbeit an einen Lohn zu binden, der unter dem Mindestlohn liegt, wenn unter Berücksichtigung weiterer Zulagen der Mindestlohn erreicht wird, nicht aber für Nachtzuschläge, da § 6 V ArbZG einen angemessenen Zuschlag auf das dem Arbeitnehmer zustehende Bruttoarbeitsentgelt vorschreibe.
Gilt das MiLoG auch für Entgeltansprüche ohne Arbeit wie z.B. den Entgeltfortzahlungsanspruch während Krankheit oder Urlaub?
Von dem Grundsatz, dass der Arbeitnehmer vorleistungspflichtig ist ( § 614 BGB ) und demgemäß eine Vergütung nur für erfolgte Arbeitsleistung erfolgt, macht das Gesetz Ausnahmen im MuSchG, BurlG, EntgFG und den §§ 615, 616 BGB. Es stellt sich damit die Frage, ob das MiLoG auch auf diese Ansprüche anzuwenden ist. Da in den genannten Fällen entweder das sog. Referenzprinzip oder das Lohnausfallprinzip gilt, die im Ergebnis eine gleichhohe Vergütung wie in Zeiten der tatsächlichen Arbeitsleistung sicherstellen wollen, ist damit auch mittelbar eine Vergütung unter Beachtung des Mindestlohnes sichergestellt. Allerdings findet das MiLoG keine unmittelbare Anwendung, so dass weder die Auftraggeberhaftung gem. § 13 MiLoG eingreift, noch § 3 MiLoG, sodass grds. in soweit auch Ausschlussfristen eingreifen können.